1882: Der Bahnbau wird realistisch

1882: die Vereinigten Schweizerbahnen (V.S.B.) schieben das Projekt wieder an

Als Folge des sogenannten "Gründerkrachs", einer Finanzkrise im Jahr 1873, blieb die durch Arnold Roth 1872 bis 1874 veranlasste Studie Dardier mangels Finanzierbarkeit des Projektes liegen. Erst 1882 griffen die V.S.B. (Vereinigte Schweizer Bahnen) die Idee wieder auf, anscheinend aus eigener Initiative. Dabei setzten sie bis zum 'Riethäusle' auf eine andere Streckenführung.

Die Gründe für diese Initiative sind nur gerüchteweise bekannt. Die V.S.B. mit ihrer Generaldirektion in St. Gallen glaubten an eine Fortsetzung ihres Netzes von Chur aus über die Alpen nach Oberitalien. Weil sie keine Erfahrung mit Bergstrecken besassen, soll die Strecke St. Gallen—Gais als eine Art Teststrecke gedacht gewesen sein. Dass man dabei von Grund auf neu plante, hing wohl auch mit den hohen Kosten der Vorschläge von Dardier zusammen, denn:

Eine Variante „Haggen“ (um die "Menzlen herum) war 1872 veranschlagt mit:

CHF 1'280'000.-

Einr Variante „Bernegg-Tunnel“ (etwa entsprechend dem heutigen Tunnel ) sollte 1872 Kosten:  

CHF 1'650'000.-

Ein Projekt des Bahningeneurs Adolf Klose
über die Ruckhalden erschien 1882 wesentlich günstiger:

CHF      85'000.-

 

1885: Industrie und Gemeinden des Appenzeller Mittellandes greifen das Projekt wieder auf

1885 schritten die Mittelländer selber zur Tat und diesmal mit Erfolg. Es bildete sich ein „provisorisches Comité“ zur Gründung einer Strasseneisenbahn von St. Gallen nach Gais.

 

Aus dem „Comité“, zu dem es kein Verzeichnis gibt, bildete sich wohl bei Anlass der Gründungsversammlung der erste Verwaltungsrat, so dass wir annehmen dürfen, das Comité stimme mit dem ersten Verwaltungsrat ungefähr überein. Dieser setzte sich zusammen aus:

  • D. Wirth-Sand, Präsident, (gleichzeitig Generaldirektor
    der Vereinigten Schweizerbahnen)
  • Nationalrat J. U. Eisenhut, Gais, Vizepräsident
  • Alt-Oberrichter Johs. Tobler, Teufen
  • Alt-Direktor Th. Fornaro (ehemals V.S.B.)
  • Minister Dr. Roth, Teufen
  • E. Zollikofer-Wirth, St. Gallen
  • Regierungsrat J. Zuberbühler, Gais
  • Statthalter Hofstetter, Kanton Appenzell A. Rh.
  • Alt-Nationalrat D. Hofstetter, Gais
  • Alt-Gemeinderichter J. U. Tobler, Bühler
      
    und eventuell die Mitglieder der Revisionskommission
  • Oberrichter Hofstetter-Willi, Gais
  • Ed. Kürsteiner-Scherrer, St. Gallen
  • Kantonsrichter Preisig-Zürcher, Gais

Kosten und Finanzierung
 

Der Kostenvoranschlag soll bei Gründung der Bahngesellschaft am 7. September 1887 1‘550‘000.– Franken betragen haben. Das Edikt zum Subventionsvertrag mit der Stadt St. Gallen aus dem Jahr 1884 spricht noch von 1‘450‘000.-.

Bei Gründung der Gesellschaft waren 1023 Aktien à Fr. 100.- gezeichnet und Fr. 20.- pro Aktie einbezahlt, ebenso ein Teil der Subventionen.

 

Einbezahlt bei Gründung

Aktien
Subventionen

409'200
460'000

 

 

869'200


 
Zu Ende des ersten Geschäftsjahres, am 31. Dezember 1889 setzt sich das nun vollständig einbezahlte Gesellschaftskapital wie folgt zusammen:

Eigenkapital

Aktien
Subventionen
Gewinn

511‘500
600‘000
3170

Obligation 4½ %

 

600'000

Kreditoren und Fonds

Kreditoren
Fonds

53‘632
1‘917

 

 

1‘770‘219

 
Die Leonhardsbleiche vor dem Bahnbau
Bild: Stadtarchiv St. Gallen

Die ausserrhodische Regierung überwies das Problem der Strassenbeanspruchung an die Landes-Bau- und Strassenkommission. Auf deren Antrag genehmigten Kantonsrat und die Landsgemeinde (1884) in Übereinstimmung mit dem Kanton St. Gallen die folgenden Bedingungen:

  • die Bahn musste mit einer Spurweite von 1 m erstellt werden (was die Kostenberechnungen des Ingenieurs Klose völlig über den Haufen warf);
  • die Staatsstrasse durfte benützt werden, die Bahn musste aber für den allgemeinen Strassenverkehr eine Verkehrsfläche von 4 Meter 80 Breite gemäss Strassengesetz von 1851gewährleisten;
  • Die Bahn musste den zusätzlichen Boden für den Trassebau selber erwerben.
  • Diese Bedingungen führten zu der bis heute geltenden Streckenführung.
  • Dass man Nest und Riethüsli über die Ruckhalde erreichen wollte folgt daraus, dass dies schlicht die billigste Variante war, auch wenn für den Boden in der Ruckhalde ein stolzer Preis bezahlt werden musste.