Gedränge am Bahnhof: zwei weitere Bahnhöfe am gleichen Ort

Immer mehr Bahnen wollen ebenfalls zum Bahnhof Appenzell fahren

Die Gaiserbahn kommt

Über die Verbindung der Appenzeller Bahn mit der Gaiserbahn in Appenzell wird schon diskutiert, bevor die Gaiserbahn auch nur bis Gais geht. Man denkt an eine Strecke über Eggerstanden, ohne Zahnrad, entsprechend der Idee von Dardier. Das Projekt kommt aber nie in die Nähe der Realiserung.

Die Diskussion über diese Anbindung verläuft kontrovers. Dennoch treiben wirtschaftlich interessierte Kreise schon ab 1887 den Bau einer Anschluss-Strecke nach Gais voran. Zweimal, 1887 und dann wieder 1889 erlangt man in Innerrhoden dazu auch eine Konzession. Das Ziel ist der Zusammenschluss der Appenzeller Bahn mit der im Entstehen begriffenen Appenzeller Strassenbahn (A.St.).

Beide Konzessionen verfallen, niemand will die Strecke finanzieren. Die Appenzeller Bahn ist von dem Gedanken ohnehin mässig begeistert. Man spricht zudem von einem Bahnhof jenseits der Sitter, irgendwo im Bereich Bleichi oder Blumenrain, was dann wiederum als Unsinn abqualifiziert wird. So bleibt das Projekt immer wieder stecken, bis schliesslich die Appenzeller Strassenbahn 1903 zu einer Lösung Hand bietet.

Für die Verbindung der beiden Linien entstehen mehrere Vorschläge. Alle führen aber die Bahnlinie Gais – Appenzell in den bestehenden Bahnhof Appenzell ein.

Dokumentiert ist ein Vorschlag des Ingenieurs Kürsteiner, der bereits die spätere Lösung mit einer Überschreitung der Sitterebene durch einen Damm oder ein Brücke andeutet.

Während Ingenieur Kürsteiner eine Überschreitung der Talsohle relativ nahe am Dorfrand sieht, (grün) bevorzugt die A.St. eine mehr ausholende Variante (rot), dafür mit einem Zahnstangenanstieg zum “Rank”.

Diese Variante wird dann auch konkret geplant.

In beiden Fällen wird die Talsohle, jedenfalls gemäss Plan, auf einem riesigen Damm überquert. Ziel ist immer eine Einfahrt in den AB-Bahnhof von Osten her.

Die Frage der Integration der A.St. in den Bahnhof

Im Hinblick auf den Anschluss an die “Gaiserbahn” entsteht in Appenzell nochmals eine Diskussion. Nicht alle wollen die beiden Bahnen AB und A.St. zusammenschliessen. Wieder wird über eine Endstation A.St. im Raum “Bleiche” also jenseits der Sitter gesprochen.

Dass auch die AB wenig Begeisterung für einen gemeinsamen Bahnhof zeigt, ist verständlich. Als Konsequenz entsteht sozusagen ein “Bahnhof-Anbau”. Die A.St. muss einen eigenen Bahnhof bauen. Sie darf aber für Reisende die AB-Geleise bis vor das Bahnhofgebäude und für Güter jene bis zum Güterschuppen benützen.

Ab 1911: die Säntisbahn

Die Säntisbahn hat eine eigene, und ebenfalls eine jahrelange Vorgeschichte. Kaum erreicht die Appenzeller Bahn 1886 Appenzell, wird aus touristischen Überlegungen auch schon von der Säntisbahn gesprochen. Konkret werden die Projekte aber erst, als 1904 die A.St. Appenzell erreicht und man auch über eine Bahnlinie von Altstätten nach Gais redet.

So werden dann 1911 die Linie Altstätten – Gais und 1912 die Säntisbahn von Appenzell bis Wasserauen eröffnet. Das Projekt einer Weiterführung bis auf den Säntis hingegen bleibt in den Zeitumständen stecken – endgültig. Die Zeit der schienengebundenen Bergbahnen geht zu Ende.

Das Problem ist wieder der Bahnhof Appenzell

Obgleich die Appenzeller Bahn die Säntisbahn gegenüber der Appenzeller Strassenbahn schon im Vorfeld deutlich bevorzugt hat: Als die Bahn tatsächlich gebaut wird, bekundet die AB wenig Lust, für diese “den Bahnhof zu betreiben”.

Allerdings muss man auch die Tatsache beachten, dass die Säntisbahn die einzige ist, die bereits elektrisch fährt. Die Aussicht, deswegen den ganzen Bahnhof mit Oberleitungen ausstatten zu müssen, weckt natürlicherweise Widerstände.

So entsteht ein dritter Bahnhof auf dem selben Gelände.

Der Plan zeigt die Stimmung: die Appenzeller Bahn blockiert ihren Bahnhof möglichst gegen die Neulinge. Diese werden konsequent auf das Gebiet östlich der Forrenstrasse gedrängt.

Es entsteht ein behelfsmässiger Nebenbahnhof auch noch für die Säntisbahn (gelb).

Der Plan dokumentiert auch, wie wenig man sich schliesslich zu einigen vermag:

  • über eine einzige Weichenverbindung können wenigstens die Güterwagen der Säntisbahn bis zum Güterschuppen der AB gebracht werden;
  • etwas östlich der Bahnhofeinfahrt gibt es eine Verbindung zwischen Appenzeller Strassenbahn und Säntisbahn. Diese Weiche ist aber mutmasslich eher auf die technische Unterstützung durch die A.St. während der Bauzeit der Säntisbahn zurückzuführen. Die A.St. hilft der SB mit Dampfloks für den Streckenbau aus.


Fotografie vom Bau der Zufahrt der Säntisbahn parallel zu den Geleisen der A.St.

Wie es dann im Einzelnen weitergeht, ist uns nicht erhalten.

Sicher ist, dass die Säntisbahn immer wieder versucht, zu einem vernünftigen Anschluss an den eigentlichen Bahnhof zu kommen. Die Fahrgäste müssen beim Umstieg einen längeren Fussmarsch antreten. Das Gepäck müssen sie tragen oder durch Dienstboten transportieren lassen. Für eine Touristenbahn ist das ein unhaltbarer Zustand. Einige der “Planungsleichen” aus solchen Vorstössen zeigen wir auf der nächsten Seite.

Zu einer wirklichen Verbesserung kommt es erst im Zusammenhang mit der Elektrifizierung von A.St und AB zu Anfang de 1930er Jahre.

Die Idee mit dem Damm funktioniert nicht

Wie Appenzell zu seinem berühmten Viadukt kommt – ein Auszug aus dem Jahresbericht 1904:

. . . Eine einschneidende Aenderung im vorgesehenen Bauprojekte wurde nötig durch den Umstand, daß das Material, auf das man zur Anlage des vorgesehenen Dammes im Sittertale angewiesen war, als absolut ungeeignet sich zeigte. Die Erstellung eines Viaduktes wurde in Wiedererwägung gezogen und die Ausführung desselben beschlossen . . . Am 10. August wurde mit den Arbeiten am Viadukt, das aus Cementbeton erstellt, 32 Bogenstellungen erhalten hat, begonnen und am 17. November wurde das letzte Gewölbe geschlossen . . .

. . .  ein heute unglaubliches Bau-Tempo! Bewilligungsverfahren eingeschlossen!